Abschied
und Neuanfang
Sie
stand am Grab ihres Vaters, den Kopf gesenkt, die Hände krampfhaft
fest haltend, sie trug ein schwarzes Kleid, einen schwarzen Blazer
und schwarze Pumps, das einzig farbenfrohe an ihr war ihr roter
Seidenschal mit dem der Wind spielte. Dieser Schal war das letzte
Geschenk ihres Vater, den er ihr von einer Geschäftsreise aus
Hongkong mitgebracht hatte. Neben ihr stand ihre Mutter, deren
zierliche Gestalt in dem schwarzen Kostüm noch zerbrechlicher wirkte
als sonst. Außer der Familie waren auch Kollegen und
Geschäftsfreunde ihres Vaters zur Beerdigung gekommen. Der Pfarrer
hielt eine ergreifende Predigt, er kannte die Familie doch schon
seit Jahrzehnten. In Jeans Nähe stand eine entfernte Cousine ihres
Vater, sie unterhielt sich mit der Frau neben ihr, leise, jedoch
deutlich genug, sodass auch Jean ihre Worte hörte, sagte sie, “ein
knallroter Schal zur Beerdigung ihres Vater, sie weiß einfach nicht
was sich gehört”. Jean hatte diese Verwandte noch nie wirklich
gemocht. Und was sagten schon Kleidung und Farben über ihr Herz aus.
Ihr Herz wirkte an diesem Tag so kalt, wie erfroren, als hätte
jemand es in Eiswasser getaucht. Sie weinte nicht, sie lächelte
nicht, sie wirkte fast teilnahmslos. Der Tod ihres Vaters war ein
Schock gewesen, nichts hatte ihn angekündigt. Am Abend zuvor, war er
von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, gut gelaunt hatte er seine
Familie begrüßt und war dann zeitig zu Bett gegangen, “der Jet
Lag”, hatte er entschuldigend gesagt. Am anderen Morgen ging er
joggen, er joggte immer vor dem Frühstück, einmal hatte er
scherzend gesagt, “damit ich hundert Jahre werde und auch die
Hochzeiten meiner Enkelkinder noch miterleben kann”. Er liebte
seine Familie und war nur ungern solange fort und er liebte es zu
leben. Ihre Mutter bekam immer Angst, wenn in den Nachrichten von
Flugzeugabstürzen berichtet wurde und beruhigte sich erst wieder,
wenn er wohlbehalten wieder zu Hause war. Als es an diesem Morgen an
der Tür klingelte, dachte sie es sei der Postbote, erst der
entsetzte Schrei ihrer Mutter,sagte ihr, das schlimmes gesehen war.
Ihr Vater war von Passanten gefunden worden, er hatte im Park einen
Herzinfarkt erlitten, der Notarzt konnte ncihts mehr tun.
Nach
der Trauerfeier kamen alle noch mit zum Haus. Jean vertrat
emotionslos ihre Mutter, sie bedankte sich freundlich für die
Beileidsbekundungen und bewirtete ebenso freundlich die Trauergäste.
Einige der Verwandten waren nur schwer zu ertragen, aber auch das
stand sie durch. Der letzte der ging, war der Pfarrer, er hatte noch
ein paar ermunternde Worte für sie, seine Fürsorge war wohltuend
und echt. In dieser Nacht schlief sie traumlos.
Als
einige Zeit später die Testamentseröffnung war, traf sie viele der
Gäste wieder, Geschäftsfreunde ihres Vater, und entfernte
Verwandte, letztere hofften wohl auf ein Stück vom Kuchen. Das
Testament war recht kurz. Ihr Vater hatte vorgesorgt, sowohl was
seine Famile betraf als auch die Firma, in der er Teilhaber war. Er
selbst benannte seinen Nachfolger und wünschte ihm alles Gute für
seinen weiteren Weg. Die Verwandten, welche erbberechtigt waren,
erhielten ihren Pflichtteil, seine Frau und seine Tochter ein
monatliches Einkommen und natürlich das Haus. Jene Cousine ihres
Vater, war von dieser Testamentseröffnung, nicht sehr angetan und
drohte sogar mit rechtlichen Schritten. Als letztes entnahm der
Anwalt dem Umschlag zwei weiße Briefkuverts und gab einen der Witwe
und einen der Tochter, seines ehemaligen Mandanten.
Jean
las den Brief ihres Vater erst als sie allein in ihrem Zimmer war:
Geliebtes
Kind, meine wundervolle Tochter,
Gestern
starb ein ehemaliger Schulfreund von mir und mir wurde klar, das
dieses Leben endlich ist. So habe ich beschlossen dir diesen Brief
zuschreiben, mit all den Dingen und Ratschlägen, die ich
vielleicht nicht mehr sagen kann.
Zuerst
einmal, du bist mit das Beste, was mir das Leben geschenkt hat, viele
berufliche und auch private Entscheidungen hätte ich vielleicht
besser treffen können, doch deine Mutter zu heiraten und dich zu
bekommen, diese beiden Entscheidungen habe ich niemals bereut. Gerne
wäre ich öfter bei euch gewesen, doch mein Beruf ließ dies nicht
zu. Ich sage es dir und ich werde es auch deiner Mutter sagen, bitte
seid füreinander da, verbringt Zeit miteinander, denn das ist das
Wichtigste, was ihr euch geben könnt. Und wenn es einen Himmel gibt,
dann werde ich von dort über euch wachen.
Ich
weiß noch wie glücklich zu als kleines Mädchen warst, wenn du mich
mit etwas überraschen und glücklich machen konntest, ich weiß
Teeanger sind da zurückhaltender. Und jetzt als junge Frau, da
willst du nicht mehr kindlich sein, möchtest erwachsen aussehen und
ernst genommen werden. Geliebtes Kind, ernst sein dafür hast du noch
soviel Zeit, doch die Momente, zum Lachen Tanzen und Feiern gehen
viel zu schnell vorbei. Bei all den Entscheidungen, die nun vor dir
liegen kann ich dir nur noch auf eine Art helfen. Frage dich was
würde mich überraschen und glücklich machen, und wenn du dann
lächeln musst, bist du auf dem richtigen Weg. Feiere und Tanze, lebe
jeden einzelnen Tag, denn du weißt nie wie-viele Tage du noch hast.
Ich wünsche mir für dich ein Leben voller Freude und das du nie
vergisst: ich liebe dich. Dein stolzer Vater.
Am
nächsten morgen kam ihre Mutter herunter und hielt einen länglichen
Brief in der Hand, ihre Augen waren noch rot vom Weinen, doch um den
Mund war ein kleines Lächeln. Der Brief hatte die letzten Tage auf
der Anrichte gelegen, ungeöffnet. “Es ist Zeit, das du ihn
aufmachst,” sagte ihre Mutter und gab ihr den Brief. Jean öffnete
den Umschlag und entfaltete das Papier, dann ging sie nach draußen
auf die Terrasse und sah zum Himmel empor. Als sie sich zu ihrer
Mutter umdrehte, nickte diese ihr lächelnd zu. Der Brief war aus
Stanford. Er bedeutete Umzug in ein Studentenwohnheim, doch sie würde
in den Semesterferien wieder nach Hause kommen.
Sie
startete zwei Wochen später, mit dem kleinen Einkaufswagen ihrer
Mutter, einem Beetle, in ihr neues Leben. Jede Semesterferien kam sie
zurück und erzählt von der Uni und den neugewonnenen Freunden dort.
An dem Tag ihres Abschlusses kam ihre Mutter nach Stanford, um dabei
zu sein, an diesem besonderen Tag. Als Mutter und Tochter sich
glücklich umarmt hatten, standen sie voreinander, hielten sich an
den Händen und sahen zum Himmel empor und lächelten.
Ihre
erste Stelle erhielt Jean bei einer Zeitschrift. Ihr neuer
Arbeitsplatz war ganz in der Nähe ihres Elternhauses. Und da das
Haus ihr ohnehin viel zu groß geworden war, fragte die Mutter, ob
sie nicht einfach zusammen dort wohnen könnten. Jean war
einverstanden, ersparte es ihr doch die Wohnungssuche.
Eines
Abends saß Jean auf der Terrasse an dem Gartentisch und ihre Finger
huschten über die Tastatur, leise kam ihre Mutter nach draußen,
stellte eine Tasse Kakao neben den Laptop und setze sich auf den
freien Korbstuhl. Als Jean nach der Tasse griff und leise Danke
sagte, fragte ihre Mutter, „schreibst du für die Arbeit?“ „Nein,
es ist für mich, eine Geschichte, ich muss sie einfach
aufschreiben.“ „Wie heißt deine Geschichte?“ „Danke Papa.“
Die Mutter lächelte. „Ich weiß nicht ob sie je gedruckt wird und
in einem Schaufenster steht, aber das ist mir im Augenblick egal.“
„Ich weiß mein Kind,“ sagte ihre Mutter und ihr Blick fiel auf
einen Stapel alter Tagebücher und den roten Schal daneben. „ Schau
mal Mum, die Seite mit der Widmung habe ich schon fertig.“ Die
Mutter las: Für meine Mutter, die mir das kostbarste schenkt, Liebe
und Zeit.
Eine wirklich schöne Geschichte. Gut erzählt und man hat wirklich Spaß beim lesen :-)
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