Freitag, 24. Juni 2016

eine kleine Geschichte

Abschied und Neuanfang
Sie stand am Grab ihres Vaters, den Kopf gesenkt, die Hände krampfhaft fest haltend, sie trug ein schwarzes Kleid, einen schwarzen Blazer und schwarze Pumps, das einzig farbenfrohe an ihr war ihr roter Seidenschal mit dem der Wind spielte. Dieser Schal war das letzte Geschenk ihres Vater, den er ihr von einer Geschäftsreise aus Hongkong mitgebracht hatte. Neben ihr stand ihre Mutter, deren zierliche Gestalt in dem schwarzen Kostüm noch zerbrechlicher wirkte als sonst. Außer der Familie waren auch Kollegen und Geschäftsfreunde ihres Vaters zur Beerdigung gekommen. Der Pfarrer hielt eine ergreifende Predigt, er kannte die Familie doch schon seit Jahrzehnten. In Jeans Nähe stand eine entfernte Cousine ihres Vater, sie unterhielt sich mit der Frau neben ihr, leise, jedoch deutlich genug, sodass auch Jean ihre Worte hörte, sagte sie, “ein knallroter Schal zur Beerdigung ihres Vater, sie weiß einfach nicht was sich gehört”. Jean hatte diese Verwandte noch nie wirklich gemocht. Und was sagten schon Kleidung und Farben über ihr Herz aus. Ihr Herz wirkte an diesem Tag so kalt, wie erfroren, als hätte jemand es in Eiswasser getaucht. Sie weinte nicht, sie lächelte nicht, sie wirkte fast teilnahmslos. Der Tod ihres Vaters war ein Schock gewesen, nichts hatte ihn angekündigt. Am Abend zuvor, war er von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, gut gelaunt hatte er seine Familie begrüßt und war dann zeitig zu Bett gegangen, “der Jet Lag”, hatte er entschuldigend gesagt. Am anderen Morgen ging er joggen, er joggte immer vor dem Frühstück, einmal hatte er scherzend gesagt, “damit ich hundert Jahre werde und auch die Hochzeiten meiner Enkelkinder noch miterleben kann”. Er liebte seine Familie und war nur ungern solange fort und er liebte es zu leben. Ihre Mutter bekam immer Angst, wenn in den Nachrichten von Flugzeugabstürzen berichtet wurde und beruhigte sich erst wieder, wenn er wohlbehalten wieder zu Hause war. Als es an diesem Morgen an der Tür klingelte, dachte sie es sei der Postbote, erst der entsetzte Schrei ihrer Mutter,sagte ihr, das schlimmes gesehen war. Ihr Vater war von Passanten gefunden worden, er hatte im Park einen Herzinfarkt erlitten, der Notarzt konnte ncihts mehr tun.
Nach der Trauerfeier kamen alle noch mit zum Haus. Jean vertrat emotionslos ihre Mutter, sie bedankte sich freundlich für die Beileidsbekundungen und bewirtete ebenso freundlich die Trauergäste. Einige der Verwandten waren nur schwer zu ertragen, aber auch das stand sie durch. Der letzte der ging, war der Pfarrer, er hatte noch ein paar ermunternde Worte für sie, seine Fürsorge war wohltuend und echt. In dieser Nacht schlief sie traumlos.
Als einige Zeit später die Testamentseröffnung war, traf sie viele der Gäste wieder, Geschäftsfreunde ihres Vater, und entfernte Verwandte, letztere hofften wohl auf ein Stück vom Kuchen. Das Testament war recht kurz. Ihr Vater hatte vorgesorgt, sowohl was seine Famile betraf als auch die Firma, in der er Teilhaber war. Er selbst benannte seinen Nachfolger und wünschte ihm alles Gute für seinen weiteren Weg. Die Verwandten, welche erbberechtigt waren, erhielten ihren Pflichtteil, seine Frau und seine Tochter ein monatliches Einkommen und natürlich das Haus. Jene Cousine ihres Vater, war von dieser Testamentseröffnung, nicht sehr angetan und drohte sogar mit rechtlichen Schritten. Als letztes entnahm der Anwalt dem Umschlag zwei weiße Briefkuverts und gab einen der Witwe und einen der Tochter, seines ehemaligen Mandanten.
Jean las den Brief ihres Vater erst als sie allein in ihrem Zimmer war:   
Geliebtes Kind, meine wundervolle Tochter,
Gestern starb ein ehemaliger Schulfreund von mir und mir wurde klar, das dieses Leben endlich ist. So habe ich beschlossen dir diesen Brief zuschreiben, mit all den Dingen  und Ratschlägen, die ich vielleicht nicht mehr sagen kann.
Zuerst einmal, du bist mit das Beste, was mir das Leben geschenkt hat, viele berufliche und auch private Entscheidungen hätte ich vielleicht besser treffen können, doch deine Mutter zu heiraten und dich zu bekommen, diese beiden Entscheidungen habe ich niemals bereut. Gerne wäre ich öfter bei euch gewesen, doch mein Beruf ließ dies nicht zu. Ich sage es dir und ich werde es auch deiner Mutter sagen, bitte seid füreinander da, verbringt Zeit miteinander, denn das ist das Wichtigste, was ihr euch geben könnt. Und wenn es einen Himmel gibt, dann werde ich von dort über euch wachen.
Ich weiß noch wie glücklich zu als kleines Mädchen warst, wenn du mich mit etwas überraschen und glücklich machen konntest, ich weiß Teeanger sind da zurückhaltender. Und jetzt als junge Frau, da willst du nicht mehr kindlich sein, möchtest erwachsen aussehen und ernst genommen werden. Geliebtes Kind, ernst sein dafür hast du noch soviel Zeit, doch die Momente, zum Lachen Tanzen und Feiern gehen viel zu schnell vorbei. Bei all den Entscheidungen, die nun vor dir liegen kann ich dir nur noch auf eine Art helfen. Frage dich was würde mich überraschen und glücklich machen, und wenn du dann lächeln musst, bist du auf dem richtigen Weg. Feiere und Tanze, lebe jeden einzelnen Tag, denn du weißt nie wie-viele Tage du noch hast. Ich wünsche mir für dich ein Leben voller Freude und das du nie vergisst: ich liebe dich. Dein stolzer Vater.
Am nächsten morgen kam ihre Mutter herunter und hielt einen länglichen Brief in der Hand, ihre Augen waren noch rot vom Weinen, doch um den Mund war ein kleines Lächeln. Der Brief hatte die letzten Tage auf der Anrichte gelegen, ungeöffnet. “Es ist Zeit, das du ihn aufmachst,” sagte ihre Mutter und gab ihr den Brief. Jean öffnete den Umschlag und entfaltete das Papier, dann ging sie nach draußen auf die Terrasse und sah zum Himmel empor. Als sie sich zu ihrer Mutter umdrehte, nickte diese ihr lächelnd zu. Der Brief war aus Stanford. Er bedeutete Umzug in ein Studentenwohnheim, doch sie würde in den Semesterferien wieder nach Hause kommen.
Sie startete zwei Wochen später, mit dem kleinen Einkaufswagen ihrer Mutter, einem Beetle, in ihr neues Leben. Jede Semesterferien kam sie zurück und erzählt von der Uni und den neugewonnenen Freunden dort. An dem Tag ihres Abschlusses kam ihre Mutter nach Stanford, um dabei zu sein, an diesem besonderen Tag. Als Mutter und Tochter sich glücklich umarmt hatten, standen sie voreinander, hielten sich an den Händen und sahen zum Himmel empor und lächelten.
Ihre erste Stelle erhielt Jean bei einer Zeitschrift. Ihr neuer Arbeitsplatz war ganz in der Nähe ihres Elternhauses. Und da das Haus ihr ohnehin viel zu groß geworden war, fragte die Mutter, ob sie nicht einfach zusammen dort wohnen könnten. Jean war einverstanden, ersparte es ihr doch die Wohnungssuche.
Eines Abends saß Jean auf der Terrasse an dem Gartentisch und ihre Finger huschten über die Tastatur, leise kam ihre Mutter nach draußen, stellte eine Tasse Kakao neben den Laptop und setze sich auf den freien Korbstuhl. Als Jean nach der Tasse griff und leise Danke sagte, fragte ihre Mutter, „schreibst du für die Arbeit?“ „Nein, es ist für mich, eine Geschichte, ich muss sie einfach aufschreiben.“ „Wie heißt deine Geschichte?“ „Danke Papa.“ Die Mutter lächelte. „Ich weiß nicht ob sie je gedruckt wird und in einem Schaufenster steht, aber das ist mir im Augenblick egal.“ „Ich weiß mein Kind,“ sagte ihre Mutter und ihr Blick fiel auf einen Stapel alter Tagebücher und den roten Schal daneben. „ Schau mal Mum, die Seite mit der Widmung habe ich schon fertig.“ Die Mutter las: Für meine Mutter, die mir das kostbarste schenkt, Liebe und Zeit.



1 Kommentar:

  1. Eine wirklich schöne Geschichte. Gut erzählt und man hat wirklich Spaß beim lesen :-)

    AntwortenLöschen